Bericht von Ina 15.09.2017

Podersdorf 2017

Fast.

Dass ich das Tempo vom Training im Wettkampf vermutlich nicht einmal ausprobieren durfte wurde mir zum Glück sehr eindrücklich bereits bei meinem Warm-up in Podersdorf auf nur 2 ½ km am Vortag des Rennens klar. Dass ich meine angestrebte Zeit dieses Mal definitiv nicht schaffen konnte, war spätestens nun, nach meinem ersten Lauf seit zwei Wochen überhaupt – mit immer noch deutlich erhöhten Pulswerten - sicher. Zuvor konnte ich den Start beim Trans-Vorarlberg nur auf absehbare Zeit vertagen: Am Wochenende vor meinem eigentlichen Saisonhighlight fühlte ich mich kräftemäßig bereits herausgefordert bei der Begehung von ein paar Stiegen...somit war dann auch an jegliche Art von Tapering nicht zu denken. Mir blieb bei meiner hartnäckigen Verkühlung so kurz vor dem eigentlichen Saisonhighlight hingegen nichts anderes übrig, als im wahrsten Sinne des Wortes abzuwarten und Tee zu trinken, mir immer wieder zu sagen dass es bis zum Austria Triathlon Podersdorf einfach wieder gehen würde/musste(Faustregel: 3 Tage kommts, drei Tage bleibts...und drei Tage geht’s; was zumindest rein rechnerisch hin kam), ...die Füße hochzulegen...und mich so oft wie möglich mit den guten alten Schüßlersalzen vollzustopfen wo es nur ging. Irgendwann muss ich wohl schon davon geträumt haben, dass mir die Dinger wieder zu den Ohren raus kommen würden...

Einerlei, mir war es nach dem letzten verhinderten Langdistanz-Start beim IM Mallorca 2015 vor allem Priorität wieder rechtzeitig auf den Beinen zu sein. Das Gefühl, so lange mit Anspannung und Vorfreude auf einen Bewerb hin gefiebert zu haben(neben den zahllosen Stunden der Vorbereitung...), der dann am Ende des Jahres einfach nur komplett ins Wasser fällt, war seitdem ein immer wieder auftauchender Alptraum, und ein Gedanke, den ich sobald er aufkam, immer so schnell wie möglich zu verdrängen versuchte. Im Nachhinein bin ich froh dass ich mich auf der Freitags-Runde in Podersdorf noch immer so mies fühlte und der Puls mir auch eindeutig signalisierte dass ich einfach gemütlich tun musste. Sonst wäre ich vermutlich am Wettkampftag deutlich forscher angegangen weil ich eben doch meine Wunsch-Zeit im Kopf gehabt hätte – und das hätte wohl unmöglich gut gehen können...

Hard.

Dennoch; für mich sollte es trotz sonstiger solider Vorbereitung wieder einmal eine sehr harte Langdistanz werden, wie ich es mir ohne Neoprenverbot(im Gegensatz zu meinem Debüt in Podersdorf 2012), mit eigentlich „optimalen“ Bedingungen nur schwer hätte vorstellen konnte.

Vielleicht hätte ich allerdings mehr im Wellenbad trainieren sollen als im so friedlichen, stillen Wasser des Feldkirchner Badesees...? Nun, im Nachhinein ist man bekanntlich immer schlauer.

Jedenfalls wurden mir ab dem Startschuss quasi gratis auch gleich noch die Atemwege mit leicht-getrübten Neusiedler-See-Wasser gespült; und zwar so permanent bei jedem Atemzug, dass ich mich dann auch relativ zügig von meiner Devise „Schwimmen-was-geht...Einbrechen so lange wie möglich rauszögern“ verabschieden musste. Der Wind an diesem Samstag lies das seichte Gewässer offenbar planlos von rechts nach links und dann wieder von vorne nach hinten durch die Gegend schwappen - und ich kam nicht einmal ansatzweise in irgendeine Art von Schwimm-Rhythmus hinein. Gehen statt schwimmen war aber sicher auch keine Option(für viele Teilnehmer des Tages allerdings wohl schon, wenn man sich im Nachhinein die Bilder vom Schwimmen anschaut; obwohl die Wettkampfbesprechung wie immer klar und deutlich auf ein Verbot hingewiesen hatte – Hut ab vor jedem Athleten der an diesem Tag trotz widriger Bedingungen eine annehmbare Zeit im Wasser zustande gebracht hat!).

Und während ich so langsam das Gefühl hatte, dass sich alle anderen Teilnehmer immer weiter von mir zu entfernen schienen und nur ich wie am Schlickboden verankert nicht einmal von der Stelle kam, tauchte in meinem Kopf auf einmal das Bild eines Surfers im Kopf wie ein Leitbild auf (zahlreiche Filme über Australien während der Vorbereitung auf einen Triathlon verursachen solche Nebenwirkungen sobald man sich ins Wasser begibt, schätze ich). Und so wechselte ich in einen Schwimmstil, bei dem ich praktisch unter den Wellen durch zu tauchen versuchte, halbwegs die nächste Boje anvisierend(die ich nun zu meiner Begeisterung auch wieder vor mir erkennen konnte) und so zumindest wieder regelmäßig mit Unterstützung einer Sauerstoffzufuhr.

Das lies sich nun zwar nicht unbedingt als besonders schnelle Fortbewegungsart bezeichnen - aber Surfer haben ja schließlich auch keinerlei Stress ;-) – daher brauchte ich dann wohl auch für eine Runde auf der beschriebene Schwimmstrecke so lange, wie ich im Training normal auf Zweien benötigt hatte. Vielleicht war dies dann auch der Grund weshalb ich, nachdem ich den Leuchtturm am Steg mit den Zusehern noch einmal für den zweiten Turn passiert hatte bereits so ausgefroren war dass ich weder meine Füße noch meine Hände spüren konnte. Vielleicht war doch noch irgendetwas faul in meinem Immunsystem, denn normalerweise bin ich nicht unbedingt die Erste die zu frieren anfängt...

Zu allem Überfluss bekam ich nun auch noch derartige Krämpfe in den Beinen, dass ich diese nicht einmal normal zum lockeren Beinschlag bewegen konnte und zunehmend das Gefühl hatte, nur dank des Neopren nicht unterzugehen. Den Gedanken, wie ich mich in diesem Zustand auf dem Rad fortbewegen sollte, versuchte ich zu diesem Zeitpunkt einfach immer wieder weit weg zu schieben um nicht mutlos zu werden.

Aber irgendwann hatte auch diese kaum Enden-wollende zweite Runde einen Schwimmausstieg. So stark bibbernd und zitternd, sodass mir die Zähne unkontrolliert aufeinanderschlugen kam ich bei meinem Rad in der ersten Wechselzone an; eh klar waren schon die meisten weg. Aber auch darüber machte ich mir nicht allzu viele Gedanken, schnappte mir mein blaues Giant – unter den gegebenen Umständen eben noch so zügig wie möglich – und machte mich auf die Radstrecke.

Ich hatte schon damit gerechnet, dass die Rückenschmerzen IRGENDWANN kommen würden...diese kannte ich trotz optimierter Radposition und allem drum und dran von zahlreichen Trainingsausfahrten, wobei besonders flache Strecken mit viel Wind diese laut meinen Beobachtungen zu begünstigen scheinen.

Aber dass diese bereits von Anfang an als stetiger Begleiter mit von der Partie sein würden und es sich schon ab der ersten Runde daher einfach nur so komplett zach anfühlen sollte...damit hatte ich dann doch nicht gerechnet. Es war mir auch nicht wirklich oft möglich überhaupt in die Aero-Position zu wechseln(die bei dem noch immer unguten, böigen Wind natürlich eine 1a-Sache gewesen wäre). Vielmehr brauchte ich die ersten 30 km um wenigstens wieder zu spüren dass meine Füße noch da waren, und irgendwann wagte ich es dann auch und schaffte es, mich mit ein bisschen Iso-Getränk zu versorgen. Davor war ich so steif gefroren dass ich fürchtete, bei einer falschen Bewegung einfach direkt mit dem Rad umzukippen wie ein vollbepackter, schwerfälliger Eferdinger Kartoffelsack.

Mein Bike-Split startete somit auch nicht gerade wie erhofft noch voller Energie sondern eher als mentale Herausforderung um nicht sofort ans Aufgeben zu denken. Ich versuchte immer wieder die komplett verkrampfte Rückenmuskulatur zu lockern, was teils am Besten funktionierte, wenn ich aus dem Sattel ging, damit ich den unteren Rücken entlasten konnte...eine aerodynamisch-ordentlich Position schaut bei anständigem Windaufkommen natürlich anders aus.

Trotz allem. Je schwieriger sich die ganze Sache zu gestalten schien, desto mehr Begriff ich diesen Triathlon-Tag als Abenteuer, bei dem ich eine Menge erleben und Erfahrungen für meinen nächsten Start auf der langen Strecke in Roth 2018 sammeln konnte. Und desto sicherer wurde ich mir: Ich wollte meine dritte Langdistanz finishen; komplett egal wie langsam ich dabei nun sein würde, und absolut nebensächlich, dass ich die Watt-Werte, die ich im Kopf hatte und für die ich schließlich seit dem letzten Winter trainiert hatte, schlicht knicken konnte, da die Kraft hierfür einfach noch nicht wieder zurück war.



Mag sein dass ich mir während der Trainings immer wieder vorgestellt hatte, dass ich fünf Jahre nach meiner ersten Langdistanz endlich wieder in Podersdorf, bei meinem absoluten Lieblingsrennen finishen würde (damals wohnte ich noch in der Nähe meiner Geburtsstadt Stuttgart und träumte davon, eines Tages in Österreich zu leben); dass ich immer wieder Kraft schöpfen konnte durch die vielen wundervollen Ausblicke in das UNESCO-Naturschutzgebiet des Neusiedler Sees...es hatte aber auch sicher damit zu tun, dass ich meinen Freund Simon bei jeder einzelnen der sechs Runden am Rad immer wieder und wieder hinter der Verpflegungsstation im Ortskern auftauchen sah, dass er mich auch während der langen Vorbereitungszeit bedingungslos unterstützt hatte und auch jetzt immer genau dann aufzutauchen schien wenn ich ihn wirklich brauchte; ob an der Selbstverpflegungs-Stelle mit einem extra Nachschlag mit den einzigen Riegeln die ich an diesem Tag zu vertragen schien, oder der einzig-richtigen Radflasche, die in meine Halterung passte oder sonst irgendwo auf der Laufstrecke später mit unserem kleinen mobilen Ghettoblaster und meinem Soundtrack, den ich für die lange eintönige Strecke in die „Hölle“(dass viermal zu passierende Naturschutzgebiet)zusammen gestellt hatte...

Mir war klar, dass ich unbedingt das Ziel sehen wollte, komme was wolle und dass es zwar relativ ätzend war auf 180 km unterwegs zu sein wie der (gefühlt)letzte Mensch am Rad – aber dass es diesmal für mich einfach undenkbar war aufzugeben.



Legendary.

So viele legendäre Momente. Ob es der Polizist war, der sich auf meiner letzten Rad-Runde an einer Kreuzung geistesgegenwärtig einem weniger aufmerksamen Autofahrer, der mich ansonsten wohl frontal über den Haufen gefahren hätte, in den Weg stellte...

Oder das lustige, freundliche Mädel, die mir immer wieder entgegen kam nach dem letzten Wendepunkt und die trotz aller Anstrengung immer wieder zurück lachte, wenn Sie mich sah und dann rief: “Jetzt ist es aber WIRKLICH die Letzte für dich, oder?“, und ich trotz aller Schmerzen nur lachend mit dem Kopf schütteln konnte wegen der ganzen, irgendwie irren Situation(die Sonne ging bereits langsam unter und selbst die Mangalitza-Schweine in der Hölle verzogen sich schon langsam von ihren Aussichtsplätzen in die Schlafkojen): „Naaaa.....irgendwie hab ich immernoch eine!!“ Und Sie daraufhin: “Ma, des GIBT`S DOCH GAR NICHT!! Naja - wir sehen uns!“ Und dann, auf der Nächsten, wieder das gleiche Bild: „Aber jetzt...!! Jetzt haben wir`s geschafft!“ Und ich retour: „Ja WIRKLICH!!! UNFASSBAR!!! HAHAAAA... Komm noch gut rein!“

Oder ein Martin aus Österreich auf seiner achten Langdistanz, der mich noch einmal motivierte anzutraben nach einer Gehpause(die ich definitiv auch nicht hatte machen wollen, die aber unvermeidlich wurde, nachdem ich von einem auf den anderen Moment das Gefühl hatte umzufallen wenn ich nicht aufgehört hätte zu rennen...) und mir über fast eine halbe Rundenlänge noch einmal eine Wegbegleitung war.

Oder der ältere Herr mit Känguru-Shirt(weiß der Geier, wie ein Mühlviertler auf die Idee kommt, in einem Triathlon-Wettkampf nahe der Grenze zu Ungarn ausgerechnet ein Überzieh-Leibchen mit einem australischen Beuteltier zur Schau zu tragen). Jedenfalls war es für mich immer wieder eine Erinnerung an den schönsten Urlaub meines Lebens und daran, dass die Fortsetzung nächstes Jahr folgen würde – und mich dies vermutlich auch gedanklich immer wieder sehr gut von meinen zunehmenden Magenproblemen ablenken konnte. Ich ging jedenfalls fix davon aus, dass der Teilnehmer ein weit gereister Australier sein musste...und Simon hatte im Nachhinein nach Durchsicht der Ergebnisliste wiedermal herzlich was zu lachen, da ich den Mann mit einem fröhlichen „c´mon pal, rock on, Walter!“ beim Überholen zum Weiterlaufen animiert hatte...

Oder der Moment, als ich dann wirklich endlich strahlend auf der Finishline angekommen war, wie in meiner Vorstellung lachend und die Arme hochreißend, der Moderator mit dem Mikrofon auf mich zulief um mir einen warmen Tee anzubieten und mich empfing wie eine alte Freundin oder wie man bei anderen Rennen vielleicht als Hawaii-Sieger im Ziel begrüsst wird:

„Ina...“, fragte er, als er mir einfach kumpelhaft den Arm über die Schulter legte, „...sag, war`s ein langer Tag...?“



DANKE an die vielen unglaublich motivierenden und freundlichen Helfer auf der Strecke und Alle, die mich außerdem unterstützt und (trotz der langen Renndauer)bis zuletzt mitgefiebert haben; noch einmal auch ein dickes DANKE an meine Mom, meiner Supporterin bei der ersten Langen in 2012 – und an diesem Tag mindestens genauso viel mitgemacht hat wie ich...

Und ganz besonders an Simon – DANKE, du bist für mich der großartigste Weggefährte, den ich mir je hätte vorstellen und wünschen können...


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27.09.2017 - 13:24 Kommentar von Christian Coder


Ein spannender Bericht, gratuliere. Aber ein gefährliches Risiko. Denn heuer beim IM in Klagenfurt ist ein Athlet wegen einer Verkühlung auf der Radstrecke zusammengebrochen und gestorben. Aber gottseidank bist du wohlauf Lg Christian

   


     
27.09.2017 - 13:24 Kommentar von Christian Coder


Ein spannender Bericht, gratuliere. Aber ein gefährliches Risiko. Denn heuer beim IM in Klagenfurt ist ein Athlet wegen einer Verkühlung auf der Radstrecke zusammengebrochen und gestorben. Aber gottseidank bist du wohlauf Lg Christian

   


     
27.09.2017 - 20:14 Kommentar von Antje Reichelt (Gast)


Meine Güte! Da stellen sich mir ja beim Lesen noch die Nackenhaare auf! Für mich, die Hausfrauengymnastik schon als Sport bezeichnen würde, eine komplett undenkbare Leistung! Aber wie hat schon mal jemand kommentiert, der Dich bei Deinem Schwimmtraining beobachtet hat: "Die schwimmt ja immer noch! Hat die Duracell verschluckt!?!?" Alle Achtung! Ich bin seeeehr stolz auf dich!!!!!

   


     
28.09.2017 - 06:56 Kommentar von Ina Reichelt


Danke Christian; habe schon sehr aufmerksam den Puls beobachtet über den ganzen Tag, und zuvor regelmäßig das Fieberthermometer gecheckt. Es war sicherlich die körperliche Schwächephase nach einer Verkühlung und nicht mehr der Infekt selber den ich an dem Tag in den Knochen gespürt habe. Natürlich muss man immer genauer in sich hinein hören in dieser Lage; dieses Mal hatte ich nochmal Glück, weil es sich bis zum Bewerb doch wieder deutlich besser angefühlt hat, auch wenn eben die Kraft noch ziemlich gefehlt hat...

   


     
10.10.2017 - 16:42 Kommentar von Roland Reichelt (Gast)


Komm Du mir nur nach Haus, würde ich als Dad am liebsten ausrufen! , , . Bisher hatte ich nur bei Bicycle-Downhill Schweissperlen auf der Stirn. Schüssler-Salz hat Dich offensichtlich gerettet. Vielleicht doch mal einfach aufgeben? Dad

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